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Was braucht man auf dem Bauerndorf?

10.07.2001, kg/Karlheinz Günster


Reichertsheim (kg) --- "Wos braucht ma auf'm Bauerndorf?" Mit diesem
bekannten und lustigen Lied begann jetzt für Reichertsheim die "Agrarstrukturelle
Entwicklungsplanung", kurz AEP. In der vollen Gaststube beim Rampl--Bräu
vor über 70 Interessierten wurde jetzt Sinn und Zweck der Maßnahme,
die auch von den Gemeinden Aschau, Gars, Jettenbach, Kirchdorf und
Unterreit mitgetragen wird, vorgestellt.

Bürgermeister Matthäus Huber freute sich über das große Interesse quer
durch die vertretenen Bevölkerungsgruppen, und vor allem darüber,
dass gleich zwei Tische mit Jugendlichen besetzt waren. Kurz stellte
er die Gemeinde in Zahlen vor: es gibt 1 600 Einwohner, 16 Gewerbebetriebe,
125 Bauernhöfe, Reichertsheim verfügt über eine Gemeindefläche von
mehr als 3100 Hektar, die zu 78 Prozent landwirtschaftlich genutzt
wird. Von 480 Beschäftigten habe man aber 406 Pendler, die Arbeitslosenqoute
beträgt 2,6 Prozent. 25 Vereine und Verbände sind im Ort, aber "das
Sorgenkind B 12 vor der Tür", so Huber. Durch die vielen Unfälle sei
eine sehr gute Ausstattung der Feuerwehr notwendig.

Peter Neumann von der Bayerischen Landessiedlung GmbH erklärte die
Zusammenhänge dieser Maßnahme: Es gebe einen Kontakt durch ein anderes
Projekt mit Bürgermeister Otter aus Gars. Daraus entstand die Überlegung,
einer negativen Entwicklung auf dem Land etwas entgegenzusetzen. Durch
frühere Zusammenarbeit mit der Gruppe "Eigenständige regionale Dorfentwicklung"
(Erde) beschloss man, dieses Projekt nun miteinander zu betreuen.

"Erde" wurde von der Landwirtin Erni Rottmair vertreten. Aus eigener
Erfahrung, sie wohnt kurz vor München, kennt sie die Entwicklung,
die entweder zum "Schlafdorf" führe oder zum "Nebenort", in dem Fall,
von München. Mögliche Gründe dafür könnten sein, dass die Mobilität
zunimmt, der Einkauf in der Stadt erledigt wird, dadurch Geschäfte
auf dem Land schließen, was wieder die fehlenden Arbeitsplätze zur
Folge habe. Dadurch gebe es mehr Pendler, mehr Autos und verstopfte
Straßen. Dieser Entwicklung sollte mit Maßnahmen begegnet werden.

Jeder der Anwesenden schrieb auf einen Zettel, was für ihn im Dorf
wichtig sei. Oft wurde der Kramerladen genannt. "Im Stillen", so die
Referentin, sollte sich jeder fragen, wann er das letzte Mal dort
eingekauft habe, oder wann beim Schreiner im Dorf und nicht im Möbelhaus
gekauft wurde. Solche Betriebe würden nicht nur als Arbeitsplätze
sondern auch für die heranwachsenden Kinder als Lehrstelle fehlen.

Erst vor kurzem schloss in Reichertsheim ein Lebensmittelgeschäft,
es gab sogar einmal eine Tankstelle und eine Post. Auch bei den Gasthäusern
sieht es mit dem Nachwuchs nicht gut aus. Dabei wurde als "wichtig"
neben einer Metzgerei auch der Wirt, ein Bistro und eine Eisdiele
bezeichnet. Der vorhandene Jugendraum sei nicht mehr ideal, erklärte
der Bürgermeister, da er mittlerweile von zu vielen anderen Gruppen
auch genutzt werde. Der Umbau des Pfarrhofes dauere noch eine Zeit.

Wichtig ist den Reichertsheimern unter anderem eine "Dorfgemeinschaft"
und "Dorffrieden". Empfindlich reagierten jedoch einige Landwirte
auf das Thema Landschaftspflege: Man solle nicht alles glauben, was
die Behörden von sich geben, sondern sich seine eigene Meinung bilden,
war einer der Kommentare. Die Referenten stellten lediglich klar,
dass dieser Prozess ausschließlich von der Bevölkerung ausgehen könne
und dass es keine Vorschriften geben werde. Man verstehe sich lediglich
als Berater. In der Landwirtschaft habe es wie an jedem Arbeitsplatz
in den letzten Jahren drastische Veränderungen gegeben und es sei
abzusehen, dass sicher dieser Prozess in Zukunft weiter fortsetzt.
Hier könne man zumindest Erfahrung und Wissen anbieten. Angestrebt
wird auf jeden Fall eine Stärkung der Landwirtschaft.

Der "Fahrplan" schaue nun so aus, dass Befragungen im gesamten Gemeindegebiet
durchgeführt werden, teilweise wurden bereits Radler auf dem Inntal--Radweg
mit Blick auf einen möglichen touristischen Nutzen gefragt. Für den
29. September ist ein Workshop geplant, in dem Arbeitsgruppen gegründet
werden. Diese Gruppen werden wiederum Ideen, die jeder vorbringen
kann, auf ihre Realsierung hin prüfen. Damit könnte bereits im nächsten
Frühjahr ein "Kochbuch" vorliegen, mit dessen Hilfe Verbesserungen
für die Gemeinde durchgeführt würden.

Diese Maßnahme kostet 190 000 Mark; sie wird zu 90 Prozent vom Landwirtschaftsministerium
bezuschusst. Den Rest teilen sich die sechs Gemeinden anteilsmäßig
auf. Bürgermeister Matthäus Huber ist vom Nutzen der Maßnahme überzeugt,
selbst wenn nur wenige mitmachen, zumindest aber könne die negative
Entwicklung zumindest aufgehalten werden: "Wir haben es dann wenigstens
probiert".

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